GTS-AKTUELL

GTS-ARCHIV

Juli 2012 / veröffentlicht in GTS-Strahl 27  

Qualität - Umwelt - Sicherheit
Aus der Arbeit des GTS-Qualitätsausschusses,
oder "Quality reloaded"

von Jens Putzier, Vorsitzender des GTS-QM-Ausschusses

Jens Putzier


1991. In der Zeitrechnung des thermischen Spritzens das Jahr 1 vor GTS. Auch wenn sich sicher die Szene der thermischen Spritzer untereinander kennt und schätzt und in vielen einzelnen Gremien austauscht und zusammenarbeitet, so ist man doch im Geschäft eher Wettbewerber als Mitbewerber. Würde man denjenigen, den man als Konkurrenten empfindet, auf der Straße treffen, würde man eher die Straßenseite wechseln, als ein Bier miteinander zu trinken.

1991. In der Zeitrechnung der Qualitätssicherung das Jahr 4 nach der ersten Veröffentlichung der ISO 9001. Große Betriebe fordern von Ihren Lieferanten die Einführung eines entsprechenden Qualitätsmanagementsystems. Kleine Betriebe stehen vor der Herausforderung, diese Systeme zu verstehen, umzusetzen und zu leben.

Im Kreis der mittelständischen thermischen Spritzbetriebe ist es wie in allen anderen Branchen: kein Lieferant fordert die ISO 9001 aktuell, es ist eher das Damoklesschwert der Erwartung, dass die Qualitätsmanagementmaßnahmen der Automobilindustrie über kurz oder lang in die Niederungen des Maschinenbaus hinüberschwappen werden. Ein Bauchgefühl, dass das, was da kommen wird, schwierig sein wird, Geld kosten wird, und vor dem Bewusstsein, dass man ja ohnehin immer nur beste Qualität liefert, als völlig überflüssig erscheint. Und außerdem kommt bei einem zertifizierten Betrieb keine einzige bessere Beschichtung heraus als vorher!

Kaum ein Inhaber oder Geschäftsführer eines kleinen thermischen Spritzbetriebes erkennt zu dem Zeitpunkt die Chancen, die sich hier bieten, geschweige denn, dass man mit einer Investition auf Dauer eine Menge Geld sparen und sogar durch die Verbesserung der Unternehmensabläufe verdienen kann.

1991. Eins ist aber den "guten" thermischen Spritzern klar: Auf dem Markt des thermischen Spritzens tummeln sich gefühlt zu viele Scharlatane, Quacksalber, Alchimisten - kurz gesagt "Garagenbetriebe", die schlechte Qualität liefern, die Preise kaputt machen und den guten Ruf des thermischen Spritzens sowieso.

1992. Eine Handvoll weitblickender thermischer Spritzer erkennt die Chance, mit einem auf das thermische Spritzen abgestimmten Qualitätsmanagementsystem das Heft in die Hand zu nehmen. Den Zwang die ISO 9001 einführen zu müssen mit einem einmaligen, auf das thermische Spritzen maßgeschneiderten QM-System nebst Musterhandbuch und Handlungsanleitungen zu kombinieren und als werbewirksames Alleinstellungsmerkmal anzubieten - welch' geniale Idee. Die Beschränkung auf die Kernelemente der ISO 9001 verbunden mit Mechanismen, die ein wirklich besseres Produkt versprechen. Dazu eine starke Gemeinschaft mit Freunden statt Konkurrenten. Eine Vision, die Antrieb zur Gründung der GTS war.

2012. In der Zeitrechnung des thermischen Spritzens das Jahr 20 der GTS. Eine geniale Idee ist Selbstverständlichkeit geworden. Das GTS QM-System ist der weltweit einmalige Qualitätsstandard des thermischen Spritzens geworden. Die weitaus meisten GTS- Mitglieder leben ihr QM-System und haben ihr Unternehmen und damit die Gemeinschaft aller GTS Mitglieder nicht nur qualitativ nach vorne gebracht. Viele haben das GTS QM-System um die zusätzlichen Bausteine zur vollständigen ISO 9001 erweitert. Ein Wir-Gefühl ist entstanden und die Überzeugung, dass wir eine Gemeinschaft sind, die das thermische Spritzen im Markt bekannt gemacht und als hochwertiges Fertigungsverfahren etabliert und abgesichert haben.

2012. In der Zeitrechnung der Qualitätssicherung das Jahr 25 nach der Einführung der ISO 9001. Praktisch jedes Unternehmen hat ein QM-System nach ISO 9001, ob zertifiziert oder nicht. Seltsam wäre, wenn sich die Qualitätssicherung nicht weiterentwickelt hätte. Aus den reinen Qualitätssicherungssystemen haben sich integrierte Systeme entwickelt, die längst über die reine Qualität hinausgehen. Umwelt und Sicherheit sind Themen, die zum einen gesetzlich fest geregelt sind, zum anderen anerkannt Einfluss auf die Qualität haben. Auch hier sind Normen und Systeme entstanden, die diese Themen abbilden - ISO 14001 im Bereich der Umwelt, BS OHSAS 18001 im Bereich der Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin.

2012. Im Fernsehen läuft ein kritisches Fernsehmagazin. Dinge, die unser tägliches Leben prägen, werden in Ländern wie Bangladesch gefertigt und die Reporter fragen vor dem Hintergrund überprüfenswürdiger Produktionsstätten, in denen Arbeitssicherheit, Umweltschutz und Umgang mit den Mitarbeitern offensichtlich nicht stimmen, nach "CSR". Sie schaudern, schwören sich, nie wieder ein billiges T-Shirt zu kaufen und bleiben verunsichert zurück ob der Frage, wie Sie in Zukunft die guten von den bösen T- Shirt Herstellern unterscheiden können. CSR, was war das jetzt nochmal? Ein Gütesiegel der Guten?

Sie lesen nach: CSR bedeutet Corporate Social Responsibility. Sinngemäß die Betrachtung, wie ein Unternehmen mit denen umgeht, mit denen es in Kontakt steht.

Sie denken: Gut, wenn die großen Konzerne vor dem Hintergrund der Globalisierung dafür Sorge tragen, dass auch die Menschen in fernen Ländern nicht unter dem leiden müssen, was wir konsumieren. Allerdings scheint das offensichtlich manchen Hersteller nicht so zu kümmern, wie Sie sich das als Kunde wünschen würden.

2012. Einer Ihrer wichtigsten Kunden, ein weltweit tätiger Maschinenbaukonzern, schickt Ihnen per Email einen Link zu einer Lieferantenbefragung. Nicht schon wieder denken Sie. Die immer gleichen Fragen: Wie Sie die Dokumente lenken und wer bei Ihnen für den Einkauf zuständig ist; Sie können es nicht mehr sehen. Gut, dass man stattdessen einfach eintragen kann, dass man nach GTS und ISO 9001 zertifiziert ist, da hat sich der Aufwand doch schon mal gelohnt. Aber, was sind das denn für Fragen? Wie Sie mit Ihren Gefahrstoffen umgehen, wie Sie die Arbeitssicherheit gewährleisten und wie die Mitbestimmung im Unternehmen geregelt ist? Ob Sie Maßnahmen zur Einsparung von Energie ergriffen haben? Warum wollen die das denn plötzlich wissen? Und ob Sie vielleicht nach ISO 14001 zertifiziert sind. Ein komischer Nachgeschmack bleibt.

Umwelt- und Arbeitssicherheitsmanagementsysteme sind teuer, wir haben keine Zeit, kein Kunde verlangt die Zertifizierung, wir arbeiten selbstverständlich sicher und umweltfreundlich und das teure Zertifikat macht keine einzige thermische Spritzschicht besser. Und als Chef sind Sie natürlich bei Ihren Mitarbeitern beliebt. Merken Sie etwas? Die Erinnerung zu der Befragung, die Sie natürlich aufgrund der seltsamen Fragen erst einmal nicht bearbeitet haben, kommt, und Sie rufen Ihren Kontakt bei Ihrem Kunden an. Nein, selbstverständlich müssen Sie diese Punkte alle heute nicht erfüllen, aber der Vorstand des Unternehmens hat beschlossen, dass aufgrund der weltweiten Aktivitäten und der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft das Thema Corporate Social Responsibility von hoher Priorität sei. Man hätte ja ein weltweites Netz von Fertigungsstätten und Vertriebsbüros aufgebaut und man würde auch weltweit einkaufen, da brauchte man ja auch weltweit gültige Standards. In fünf Jahren wäre die Einhaltung der Anforderungen an Arbeitssicherheit, Umweltschutz, etc. dann schon ein wichtiges Kriterium für die Lieferantenauswahl. Also, ob Sie weltweit zu den guten Lieferanten gehören.

2017. Wie haben Sie sich entschieden? Haben Sie es abgewartet? Oder haben Sie die Chance erkannt und aus der Geschichte der GTS gelernt?

Der Vorstand der GTS hat erkannt, dass sich in der Beschäftigung mit den primären Themen Umweltschutz und Arbeitssicherheit eine große Chance für die Gemeinschaft der thermischen Spritzer bietet. Deutschland und Europa sind in den Gebieten bereits durch die gesetzlichen Regelungen im weltweiten Vergleich sehr weit vorne.

Warum nicht als Vorteil verkaufen, was ohnehin gelebt wird? Die meisten Aspekte der ISO 14001 und BS OHSAS 18001 erfüllt ein Betrieb einfach durch die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Natürlich ist die vollständige Zertifizierung nach beiden Regelwerken aufwendig und teuer und für die meisten GTS Mitgliedsbetriebe heute noch nicht erforderlich.

Aber, wenn wir aus der Geschichte der GTS gelernt haben, dann wissen wir, dass wir einfach nur dasselbe machen müssen wie 1992: die wichtigen Kernbausteine der neuen Regelwerke in die GTS Zertifizierung so zu integrieren, dass den Mitgliedern ein echter Vorteil entsteht, der jederzeit, schnell und ohne verlorenen Aufwand auf ein komplett zertifiziertes integriertes QM-System ausgebaut werden kann.

Der Qualitätsausschuss wird in den nächsten Monaten einen Vorschlag zur Integration der wichtigsten Aspekte der ISO 14001 und der BS OHSAS 18001 ausarbeiten und den Mitgliedern vorstellen.

2012. Sie lesen die Zeitung: die Bundesregierung hat Paragraph 41 des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) geändert. Ab diesem Jahr können Sie bereits ab einem Mindestverbrauch von 1 GWh Strom einen Antrag auf Begrenzung der EEG Umlage stellen und richtig viel Geld sparen. Wenn Sie sich in den nächsten Jahren nach der gerade eingeführten ISO 50001 zertifizieren lassen würden, könnten Sie den Nachweis erbringen, dass Sie notwendige Anstrengungen zur Energieeinsparung unternehmen. Ihr Stromverbrauch in 2011 war 500.000 kWh (lies: 0,5 GWh) und das Geschäft expandiert. Das betrifft uns doch alle?!
Könnte nicht die GTS ...?


Links zum Thema:
Organisation der GTS / GTS-Qualitätsauschuss
GTS-Strahl 27
Download Beitrag als PDF

 

 

   Seitenanfang

 

 


Zuletzt aktualisiert: 22.12.16 Startseite Copyright (C) 2012 GTS e.V.